Dual Use
von Schwarzpulverwaffen – böllern/scharf
Es gibt immer wieder Diskussionen, ob Feuerwaffen, insbesondere Vorderladerwaffen, die zum Böllern benutzt werden, einem Wiederholungsbeschuss unterliegen oder nicht.
Viele Verkäufer von Vorderladerwaffen und Böllern bieten sog. Doppelbeschüsse („scharfer“ Beschuß und Böllerbeschuß).
Unter Google Docs haben wir ein sehr interessantes Schreiben von Herrn Regierungsdirektor Fischer des Bundesministerium des Innern gefunden, in dem der Beschuß von Schwarzpulver-Vorderladerwaffen, die im sogenannten „Dual Use“ Modus genutzt werden, geregelt wird. Dieser Dual Use Modus beschreibt die Situation, dass scharf beschossene Waffen als Böller benutzt werden.
Herr RD Fischer hat uns mit Nachricht vom 9. Februar 2016 bestätigt, dass die im Schreiben vom 30.11.2012 beschriebene Regelung auch heute noch gültig ist und weist ausdrücklich darauf hin, dass: „Veränderungen an wesentlichen bzw. höchstbeanspruchten Teilen der Waffe wie z. B. Veränderungen am Lauf das Erfordernis eines erneuten Beschusses nach sich ziehen würden. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage von der für klassische Böller (die von vornherein als solche hergestellt wurden), die alle fünf Jahre einem Wiederholungsbeschuss zu unterziehen sind.“
Die wesentlichen Teile der im Schreiben vom 30.11.2012 zu findenden Regelung:
1. Feuerwaffen unterliegen – anders als Böller – umfassenden Anforderungen an die Herstellung und die Erstprüfung. Bei Feuerwaffen gewährleisten die Herstellung durch einen zugelassenen Fachbetrieb und die Vorgaben für den Erstbeschuss, dass die Waffe auch nach Jahrzehnten bei normaler Beanspruchung noch sicher ist. Ein erneuter Beschuss einer Feuerwaffe ist nur erforderlich nach Instandset-zung oder wenn wesentliche Teile mit Nacharbeit ausgetauscht und die Waffe damit technisch verändert worden ist.
2. Böller können von jedermann hergestellt werden. Vorgaben für das verwendete Material, insbesondere hinsichtlich des Verhaltens bei Dauerbelastung oder übermäßiger Belastung, für Fertigungsmethoden, Qualifikation des Herstellers und – in der Folge – die Haltbarkeit eines Böllers gibt es nicht. Daraus folgt nach den Vorgaben der Ständigen Internationalen Kommission für die Prüfung von Handfeuerwaffen (CIP), die national im Beschussrecht umgesetzt werden, eine aus Gründen des Verwenderschutzes notwendige Wiederholungsprüfung im Ab-stand von mindestens fünf Jahren.
Bei Feuerwaffen besteht diese Notwendigkeit nicht, zumal die Belastung der Waf-fe durch das Böllerpulver nebst Verdämmung nicht größer ist als die Belastung durch die Verwendung des losen Pulvers nebst vorgeladenem Geschoss, d. h der maximal zulässige Gebrauchsgasdruck nicht überschritten wird. Die Kenntnis des Verwenders über die richtige Verwendung des Treibmittels ergibt sich aus der für den Pulverbezug erforderlichen Erlaubnis nach § 27 SprengG, welche die Ver-wendung von Pulver zum Vorderladerschießen, zum Böllerschießen oder zu bei-dem beinhalten kann. Die der Erlaubnis zugrunde liegende Fachkunde gewähr-leistet, dass der „Böllerschütze“ mit Feuerwaffe oder Böller bei Beachtung der Vorgaben ohne Gefährdung der eigenen Person oder Dritter umgeht, die Waffe also nicht überlädt.
3. Ein zwingender Böllerbeschuss einer Vorderladerwaffe kommt dann in Betracht, wenn die Waffe zum Böller umgebaut, also konstruktiv verändert wird. In diesem Fall wäre vermutlich – abhängig von der erfolgten Veränderung – auch das Be-schusszeichen als Vorderladerwaffe ungültig zu stempeln.
4. In der Vergangenheit haben Ordnungsbehörden vor Erteilung einer „Böllererlaubnis“ vom Antragsteller eine „Böllerbescheinigung“ eines Beschussamtes gefordert. Ob dies wegen der 2002/2004 formulierten Rechtsauffassung des BMI oder lediglich zur Absicherung der ordnungsbehördlichen Entscheidung geschehen ist, sei dahingestellt.
Verlangt eine Ordnungsbehörde zur Stützung ihrer Entscheidung über die Erteilung einer „Böller- oder Schießerlaubnis“ eine sog. „Böllerbescheinigung“, so kann diese durch ein Beschussamt auf Antrag erteilt werden. Ob im Vorfeld ein vollständiger Beschuss oder nur eine Sichtprüfung erfolgt, ist eine Frage des Einzelfalles. Jedenfalls bedarf es im Normalfall für als Vorderlader beschossene Feuerwaffen keiner Böller-prüfung und auch keines Wiederholungsbeschusses.
Herr RD Fischer hat uns freundlicherweise erlaubt, das gefundene Dokument auf unserer Webseite zur Verfügung zu stellen.
Herzlichen Dank hierfür im Namen unseres Vereines und aller Interessierten.
Das Dokument des BMI lässt sich hier [175 KB] oder oben rechts auf der Seite laden.
Zu unserer großen Freude hat sich auf eine Anfrage von uns Herr Horst Willner vom Beschussamt Mellrichstadt die Mühe gemacht, die oben dargestellte Regelung praxistauglich zu ergänzen.
Herzlichen Dank für dieses Engagement.
Herr Willner führt aus:
Aus beschussrechtlicher und waffenrechtlicher Sicht wird auf folgendes klarstellend hingewiesen:
1. Böller sind keine Schusswaffen.
2. Böller unterliegen der Wiederholungsprüfung.
3. Das Böllern mit einer Vorderladerwaffe macht diese nicht zum Böller.
4. Vorderladerwaffen unterliegen keiner Wiederholungsprüfung. Eine solche hat nur auf Antrag oder bei Änderungen in Bezug auf Austausch/Bearbeitung höchstbeanspruchte Teile zu erfolgen.
Der Umbau einer Vorderladerwaffe in einen Böller mit der Rechtsfolge „Verlust der Waffeneigenschaft wegen Unmöglichkeit der Verwendung zum Schießen“ ist technisch nicht möglich. Eine Vorderladerwaffe kann daher zwar zum Böllern verwendet werden, verliert aber selbst bei ausschließlicher Nutzung zum Böllern den Waffenstatus nicht.
Grundsätzlich sei angemerkt, dass z.B. ein Standböller niemals eine Vorderladewaffe sein kann; ein „scharfer“ Beschuss kann somit nicht durchgeführt werden.
In der Vergangenheit haben Ordnungsbehörden vor Erteilung einer „Böllererlaubnis“ vom Antragsteller eine „Böllerbescheinigung“ eines Beschussamtes gefordert. Ob dies wegen der 2002/2004 formulierten Rechtsauffassung des BMI oder lediglich zur Absicherung der ordnungsbehördlichen Entscheidung geschehen ist, sei dahingestellt.
Verlangt eine Ordnungsbehörde zur Stützung ihrer Entscheidung über die Erteilung einer „Böller- oder Schießerlaubnis“ eine sog. „Böllerbescheinigung“, so kann diese durch ein Beschussamt auf Antrag erteilt werden. Ob im Vorfeld ein vollständiger Beschuss oder nur eine Sichtprüfung erfolgt, ist eine Frage des Einzelfalles. Jedenfalls bedarf es im Normalfall für als Vorderlader beschossene Feuerwaffen keiner Böllerprüfung und auch keines Wiederholungsbeschusses.
Auch Herr Willner hat uns freundlicherweise erlaubt, seine ausführliche Darstellung zu veröffentlichen.
Herzlichen Dank hierfür im Namen unseres Vereines und aller Interessierten.
Die Ergänzung kann im Original hier [239 KB] oder ebenfalls oben rechts auf der Seite geladen werden.